Über Trinkwasserbrunnen in Bonn und Berlin, Bürokratie und Begeisterung

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„Die Bundesstadt Bonn möchte in Zukunft möglichst flächendeckend im Stadtgebiet die Zahl der Trinkbrunnen erhöhen.“ Auf diese Meldung warte ich seit mindestens 2017. Aber „möchte“ und „möglichst“ klingen nicht wirklich nach „bald“. Wie so oft hapert es an deutscher Bürokratie. Trotzdem sind andere Städte wie Berlin deutlich weiter. Warum das so ist und welch guten Einfluss die Fußball-Europameisterschaft haben könnte, lest ihr hier.

Bald mehr Trinkwasserbrunnen in Bonn?!

Bald ist ja bekanntlich relativ. Für die Bonner Pläne müssen erstmal einen Sommer lang drei Modelle eines Trinkwasserbrunnens getestet und Erfahrungen gesammelt werden. Die Gesamtkosten für das Pilotprojekt betragen etwa 60.000 Euro. Ich lese die News der Stadt Bonn Pilotprojekt Trinkwasserbrunnen startet und weitere Veröffentlichungen dazu. Dabei werde ich ganz zappelig und frage mich: Warum muss das alles so teuer und langwierig sein? Warum findet man in Städten wie New York oder Rom an jeder Ecke solche Brunnen und nicht bei uns in Deutschland? Das hatte ich mich schon 2017 nach einer USA-Reise gefragt und ein paar Antworten in Kostenloses Trinkwasser in der Stadt aufgeschrieben. Seitdem hat sich in Bonn quasi nichts getan. Jetzt aber! Oder?

Frau trinkt aus Trinkbrunnen

Dieser neue Trinkbrunnen in Bonn-Beuel ist Teil des Pilotprojektes der Stadt Bonn.

Um meine Ungeduld zu zähmen und das alles besser zu verstehen, habe ich selber zum Hörer gegriffen und mit Christian Ciba vom Städtischen Gebäudemanagement der Stadt Bonn gesprochen. Auf meine Frage nach den größten Hürden antwortete er – eigentlich wenig überraschend: Die Bürokratie. Vor allem bei der Suche nach geeigneten Standorten. Diverse Ämter müssen angefragt werden und Genehmigung erteilen. So muss zum Beispiel vorher geklärt werden, ob unter der potentiellen Stelle nicht etwa eine archäologische Stätte liegt (Bonn hat ja bekanntlich eine lange römische Geschichte) oder ein Wust an Leitungen und Kanälen. Auch die Planungen des Tiefbauamtes zur Erneuerung der Kanalisation dürfen den Standort nicht betreffen. Und natürlich sollte neben dem Brunnen kein Baum stehen, auf dem die Tauben sitzen und fröhlich unter sich lassen. Das alles dauert schnell mal ein halbes Jahr.

Ist dann ein geeignetes Plätzchen gefunden, muss die jeweilige Bezirksvertretung zustimmen. Vielleicht möchte die an Straße XY oder Platz ABC keinen Trinkwasserbrunnen haben, weil … Tja, was könnten Gründe dagegen sein? Womöglich, dass sich dort Jugendliche versammeln und wassertrinkend ihr Unwesen treiben. Oder die Brunnen mutwillig zerstören. Daher müssen neue Brunnen natürlich möglichst Vandalismus-resistent sein und daraufhin im Pilotprojekt getestet werden. Und mit der nicht sichtbaren Technik in ihrem Inneren, die zum Beispiel eine automatische Spülung alle 30 Minuten veranlasst, kosten solche Brunnen dann eben locker 10.000 Euro pro Stück – plus Wasseranschluss und Wartung.

233 Trinkwasserbrunnen in Berlin

Frau füllt Flasche mit Wasser an einem öffentlichen Trinkbrunnen

Der Kaiserbrunnen in Berlin wurde nach seinem Erfinder Siegfried Kaiser, einem ehemaligen Mitarbeiter der Berliner Wasserbetriebe benannt.

Vieles davon leuchtet mir ein und trotzdem frage ich mich, warum es zum Beispiel 233 Trinkwasserbrunnen in Berlin gibt und aktuell nur vier in Bonn? Das hat mir Stephan Natz, Pressesprecher der Berliner Wasserbetriebe, erklärt. Ein paar Jahre lang habe man bereits jedes Jahr viele neue Trinkbrunnen in Berlin aufgestellt und dann durch den Beitritt zur Blue Community eine ganz neue Dynamik ausgelöst. Städte, die sich der Initiative angeschlossen haben, bekennen sich nämlich unter anderem zu folgenden Prinzipien:

  • verstehen Wasser als öffentliches Gut
  • unterstützen die Umsetzung der Menschenrechte auf Zugang zu sauberem Trinkwasser
    und Sanitärversorgung
  • fördern die Nutzung von Leitungswasser statt Flaschenwasser

Dem folgte ein Finanzbeschluss und so kamen allein im Beitrittsjahr 2018 insgesamt 30 neue Trinkbrunnen hinzu, etliche mehr in den Folgejahren. Eigentlich seien weitere 15 bis 20 neue Brunnen pro Jahr geplant, erzählte mir Stephan Natz, aber mittlerweile sei der Ausbau etwas ins Stocken geraten. Weil selbst im großen Berlin geeignete Plätze knapp werden. Und auch, weil Fragen zur Barrierefreiheit, Hygiene oder Wasserverschwendung heiß diskutiert werden. Wer mehr dazu wissen möchte, findet auf den Seiten der Berliner Wasserbetriebe viele Infos.

51 neue Trinkbrunnen in Deutschland zur Fußball-EM

Bei meiner kurzen Recherche habe ich dann noch folgende Meldung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) gefunden: BMUV fördert 51 neue Trinkbrunnen in Deutschland – einen für jedes Fußball-EM-Spiel Darin hieß es pünktlich zum Weltwassertag am 22. März 2024:

„In zwölf Wochen beginnt die Fußball-Europameisterschaft der Herren in Deutschland (EURO 2024). Für jedes der 51 EM-Spiele finanziert das Bundesumweltministerium (BMVU) einen öffentlichen Trinkbrunnen in Deutschland.“

So richtig weiß ich nicht, ob ich mich über diese Aktion freuen soll. 1,1 Millionen für 51 Brunnen für ganz Deutschland? Das klingt für mich wieder nach sehr viel Geld für wenig Effekt. Aber natürlich wird ein Teil des Geldes vermutlich in eine öffentlichkeitswirksame Kampagne fließen. Dabei unterstützt der Kooperationspartner a tip: tap, ein gemeinnütziger Verein, der sich laut Website „für Leitungswasser, gegen Verpackungsmüll und damit für eine ökologisch-nachhaltige Lebensweise einsetzt.“ Geschäftsführer Samuel Höller wird in der Pressemitteilung so zitiert:

„Wir von a tip: tap fordern mehr Trinkbrunnen für Deutschland! Orte, an denen Menschen kosten- und barrierefrei sauberes Trinkwasser genießen können, werden in Zukunft immer wichtiger. Trinkbrunnen erhöhen die Lebensqualität in Städten und schützen Jung und Alt vor den Risiken von Flüssigkeitsmangel. Wir nutzen die Kampagne zur Fußball-Europameisterschaft und darüber hinaus, um die Bevölkerung für Trinkbrunnen zu begeistern.“

Zum Weltwassertag am 22. März wurde der erste von 51 Trinkbrunnen für die Fußball-Europameisterschaft 2024  eingeweiht.

Begeisterung für Trinkwasser wecken und vor Hitzestress schützen

Schön gesprochen! Ich bin ja, wie gesagt, schon lange dafür und frage mich, wie es sich hier mit dem Henne-Ei-Problem verhält: Muss man Menschen erst für Trinkbrunnen bzw. Wassertrinken begeistern? Oder begeistern die sich von ganz allein, wenn die nächste Hitzewelle kommt und überall Brunnen mit kostenloser Erfrischung locken. Als tollen Nebeneffekt stelle ich mir vor, dass die Menschen sich an dessen Geschmack gewöhnen und auch zuhause, in Kantine oder Mensa mehr Leitungswasser trinken. Hierzu verlinke ich gerne nochmal die neuen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE),  deren erste da lautet: „Am besten Wasser trinken“. Und letztlich ist ausreichend trinken auch eine der wichtigsten Maßnahmen gegen den Hitzestress, der uns in Folgen des Klimawandels immer mehr belastet. Mehr dazu findet ihr auf Hitzeaktionstag.de.

Das Glas ist halbvoll

Bonn hat sich übrigens leider vergeblich für einen Brunnen der Ministeriums-Kampagne beworben, hat mir Christian Ciba verraten. Berlin hat dagegen drei Stück ergattert. Okay, dort finden ja auch sechs EM-Spiele inklusive Finale statt. Vielleicht sollte ich mich einfach freuen und hoffen, dass Trinkbrunnen hoffentlich bald (!) überall zum Stadtbild gehören. Dass anlässlich der EM nicht nur für deutsche Gummibärchen, Bier und Bratwurst geworben wird, sondern auch für unser gutes deutsches Trinkwasser. Noch fließt das einfach so oder auf Knopfdruck sauber und erfrischend aus der Leitung, wann immer wir Durst haben. Für viele Länder ein unerfüllter Traum. Bis es mehr Trinkwasserbrunnen gibt, könnt ihr über die Website oder App Trinkwasser unterwegs danach suchen. Beides scheint aber nicht den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Unsere Bonner Brunnen finden sich darin zum Beispiel nicht.

Das Beitragsbild und das Bild mit der trinkenden Frau habe ich am in meinem  Stadtteil Bonn-Beuel aufgestellten Trinkbrunnen aufgenommen.

Copyright Kaiserbrunnen Berlin: DAVIDS/Sven Dammer, Copyright Trinkbrunnen Euro 2024: BMUV/Christoph Soeder

 

1 Kommentare

  1. Paul sagt:

    Sehr interessant!

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