Rezension „Mut zum Genuss“ – Tolles Buch über Genießer, Genusszweifler und Genussunfähige

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Mut zum Genuss

Manchmal frage ich mich, ob ich genusssüchtig bin. Denn gutes Essen ist mir enorm wichtig und zwar nicht nur im Hinblick auf gesund, bio, regional, saisonal und all die anderen Aspekte. Wenn etwas so richtig lecker ist oder durch einen besonderen Geschmack überrascht, macht mich das einfach glücklich. Das muss gar kein tolles Essen sein. Schon ein paar einzelne Walderdbeeren, wie ich sie beim Wandern gefunden habe, können mich begeistern. Die schmecken so echt und intensiv wie nichts, was man im Laden kaufen kann…

Die Ernährungswissenschaftlerin Marlies Gruber hat mich jetzt aber beruhigt und überzeugt, dass meine Begeisterungsfähigkeit für Essen und Lebensmittel nicht nur o.k., sondern sogar gesund ist. Ganz offensichtlich gehöre ich nämlich zum Typ „Genießer“, den sie von den „Genusszweiflern“ und den „Genussunfähigen“ unterscheidet. In ihrem Buch „Mut zm Genuss“  erklärt die Kollegin aus Österreich ausführlich und mit wissenschaftlichem Hintergrund, inwiefern dieser Mut eine Antwort auf unsere sich ausbreitende Verbots- und Verzichtskultur sein kann. Daran haben viele Gesundheitsideologen ihren Anteil, die streng zwischen gesund/ungesund oder erlaubt/verboten unterscheiden – eine Unterscheidung die wir Ernährungswissenschaftler so schon lange nicht mehr treffen. Oft sind es aber die Verbraucher selbst, die verzichten um des Verzichtens willen – zurzeit beängstigender denn je, wenn man den „frei von“-Hype verfolgt.

Um Gesundheit geht es in Marlies Grubers Buch aber auch. Nämlich um die, die durch Genuss gefördert wird: Genießer haben bessere Abwehrkräfte und sind leistungsfähiger. Sie machen mehr Sport, gehen öfter an die frische Luft, kümmern sich einfach mehr darum, dass es ihnen gut geht. Genießer sind auch seltener zu dick und einfach rundum glücklicher und zufriedener. Genießen hat nämlich nichts mit Völlerei zu tun, sondern mit genau hinschmecken, -sehen und -riechen. Diese und viele weitere Zusammenhänge zwischen Essen, Genuss und Krankheit oder eben Gesundheit belegt die Autorin mit guten Quellen und interessanten Statistiken. Sie erklärt, woran es liegt, dass wir heute beim guten Essen eher vom „Sündigen“ denn vom Genießen sprechen. Dabei fallen viele Sätze oder Zitate, die nach dem Textmarker verlangen bzw. zum längeren Nachdenken anregen:

Genießen zu können, hat großes Potenzial: Es lässt einen gelassener, optimistischer, froher, kreativer, ausgeglichener und schließlich auch gesünder durchs Leben gehen.

Die Lust am abwechselnden Geschmack sorgt nebenher für eine ausgewogene Ernährung.

Kulinarik bildet eine fantastische Ressource für das Genießen. Und das tagtäglich.

In klassischen Gesundheitskampagnen hat Lebensfreude kaum einen Platz…

Neben den Grundlagen liefert die Autorin aber auch ein paar Übungen für ein „Training im Alltag“, mit denen jeder für sich genießen lernen kann. Dabei geht es um alle unsere Sinne und natürlich auch um Achtsamkeit.

Zum Schluss noch ein Zitat, das prima zu den Walderdbeeren passt, nicht nur im übertragenen Sinne. Denn an denen wäre ich fast vorbeigelaufen, wenn ich meine Augen nicht gut aufgemacht hätte:

Manche holen sich aus dem Alltag die Kleinigkeiten heraus und andere laufen an ihnen vorbei.

 

Marlies Gruber: Mut zum Genuss
172 Seiten (gebunden) ISBN: 978-39900112118
19,95 Euro

1 Kommentare

  1. Susanne sagt:

    Ich finde es einfach traurig, dass man sich quasi dafür entschuldigen muss, wenn es schmeckt, wenn ich ein Essen genieße. Wahrscheinlich sind diverse Ernährungsdogmen, die sich viele Menschen auferlegen, die Bremse, das, was vom Genießen abhält. Wenn ich Lust auf ein Eis habe, dann nehme ich mir die Zeit und genieße es. Das brauche ich auch nicht jeden Tag.
    Aus beruflicher Sicht natürlich zuviel Zucker, zu viel Fett, halt ungesund. Oberste, rote Spitze der Ernährungspyramide. Und Portionsgröße passt auch nicht.
    Aber sooo lecker. Und das genieße ich dann auch.

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