Achtsam essen und leben – gerade jetzt!

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achtsamkeit

Viele von uns lernen gerade zu „entschleunigen“. Dabei können Übungen zur Achtsamkeit und Meditationen helfen. Achtsames Essen ist eine wichtige Baustelle. Mit Achtsamkeit fällt mir persönlich #wirbleibenzuhause jedenfalls viel leichter. Daran möchte ich euch heute teilhaben lassen.

Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen

Wer hat das gesagt? Der gute alte Luther natürlich. Tatsächlich koche und backe ich seit einigen Tagen wie ein Weltmeister. Weil mich das von dem Wahnsinn da draußen ablenkt. Weil mich gutes Essen glücklich macht. Und natürlich ganz praktisch, weil die ganze Familie mittlerweile zuhause ist.

Ich habe mich die letzten Tage oft gefragt, was ich schreiben könnte, um einen kleinen Beitrag zur Krisenbewältigung und guten Stimmung zu leisten. Viele Foodblogger*innen und Organisationen posten jetzt Rezepte und motivieren zum Selberkochen, zum Kochen mit Kindern und zur Vorratshaltung ohne Hamstern. Das finde ich gut und ich lasse mich immer gerne inspirieren. Wer mag, kann sich auch auf meinen Seiten Anregungen holen und meine Lieblingsrezepte nachkochen oder -backen.

Was ich aber bisher noch nicht geteilt habe, sind meine ganz persönlichen Erfahrungen mit dem Konzept der Achtsamkeit und der Idee des achtsamen Essens. Das möchte ich heute nachholen und zum Nachahmen bzw. Ausprobieren empfehlen.

Mindfulness-Based Stress Reduction: Mit Achtsamkeit gegen Stress

Bereits 2016 habe ich das erste Mal einen längeren Blogpost zur Achtsamkeit geschrieben – angeregt durch eine Tagung des BZfE (damals noch aid) zum Thema. Eigene Erfahrungen hatte ich aber noch nicht. Im letzten Winter habe ich dann endlich den klassischen 8-Wochen-MBSR-Kurs absolviert. MBSR steht für Mindfulness-Based Stress Reduction. Wie solch ein Kurs abläuft und was genau hinter MBSR steckt, könnt ihr zum Beispiel auf der Website von Anja Siebertz, „meiner“ Achtsamkeits-Lehrerin, nachlesen. Sie bietet dort oder über eine eigene App auch Audios für ganz kurze und längere Meditationen an.

Seit Oktober letzten Jahres „übe“ ich nun also fast jeden Tag: Klassische Sitzmeditationen, achtsames Yoga oder Body-Scan. Solche und andere Meditationsübungen sollen dabei helfen, den gegenwärtigen Moment bewusst zu erleben, ohne ihn zu bewerten. Sie bieten einen Ausweg aus dem Hamsterrad von Stress und Hektik. Es geht um Mitgefühl sich selbst gegenüber. Um die Fähigkeit, die Gedankenflut im eigenen Kopf zu bemerken und sich wie ein Beobachter davon soweit zu distanzieren, dass sie uns nicht komplett beherrscht.

Das alles erfordert viel Geduld und ist für ungeduldige Menschen wie mich nicht leicht. Aber ich bleibe dran. Gerade in diesen Tagen fällt es mir gleichzeitig schwerer und leichter, die Übungen und das Gelernte in meinen Alltag zu retten, weil sich der so sehr verändert hat. Im Homeoffice bin ich ja auch sonst, aber mit der ganzen Familie drumherum jetzt nie wirklich allein. Das ist schon eine besondere Herausforderung, auch wenn Anja die als willkommene „Hantel“ bezeichnet.

Auf der anderen Seite fallen viele Freizeitaktivitäten weg, die mir mehr Zeit für die Übungen bescheren. Theoretisch jedenfalls. Und statt Stress und Multitasking zu entkommen, helfen mir Atemübungen und Metta-Meditationen im Moment im Umgang mit Angst und Unsicherheit.

Online-Kurse zur Achtsamkeit

Anja Siebertz und all die anderen Achtsamkeits-Lehrenden dort draußen gehören nun auch zu den Menschen, denen ihre Einnahmen gerade wegbrechen. Denn MBSR-Kurse und Meditationsangebote  in der Gemeinschaft mit anderen fallen wie so vieles dem Corona-Virus zum Opfer. Die ersten Betroffenen gehen daher nun neue Wege und nutzen die Möglichkeiten, die das Internet bietet. Wer also das Gefühl hat, dass ihm so ein Kurs gut tun würde oder schon länger mit dem Gedanken spielt, findet Online-Kurse auf der Website des MBSR-Verbandes. Und wer solche Angebote gerade jetzt nutzt, hilft gleichzeitig den Menschen, die sie anbieten.

Achtsam essen für mehr Genuss und Zufriedenheit

Vielleicht habt ihr aber auch mehr Lust, erstmal ein Buch zur Achtsamkeit zu lesen oder euch speziell mit dem Thema „achtsam essen“ zu beschäftigen. Wo doch das Essen im Moment so eine große Rolle für uns alle spielt 😉 Oder weil ihr ganz konkret mit eurem Gewicht oder Körper unzufrieden seid.

Essen ist wie duschen, Zähne putzen, Treppe steigen und all die vielen Dinge, die wir mehrmals am Tag tun, eine perfekte Gelegenheit, Achtsamkeit zu üben. Deshalb gehören sie auch zur „informellen“ Achtsamkeitspraxis im Gegensatz zu den „formellen“ Meditationen.

Ich selber ertappe mich oft dabei, dass ich das leckere Käsebrot oder Mittagessen viel zu schnell gegessen habe oder mit den Gedanken ganz woanders war und gar nicht richtig geschmeckt habe. Schade um den schönen Käse und das gute Brot aus meinem Bioladen.

Manchmal esse ich auch Schokolade aus Frust und kann sie gar nicht richtig genießen. Zum Glück werde ich davon (bisher) nicht dick. Aber bei vielen Menschen ist das leider anders. Daher ist achtsames Essen zwar keine Diät, aber ein guter Ansatz, die eigenen Essgewohnheiten erst zu beobachten und dann zu verändern. Schritt für Schritt, mit Geduld und Selbstmitgefühl, wenn es nicht auf Anhieb klappt.

Zum achtsamen Essen gibt es kein allgemeingültiges Konzept wie das MBSR-Konzept gegen Stress. Es gibt aber interessante Bücher für den Einstieg. Für Menschen, die es selber ausprobieren möchten, und für Ernährungsfachkräfte, die nach neuen Ansätzen für die Beratung suchen.  Ich habe zwei davon gelesen, die mir beide gut gefallen haben:

„Achtsam essen“ von Jan Chozen Bays

In diesem Buch geht es um unsere Gewohnheiten und deren Hintergründe. Es geht um sieben Hungerarten, die uns zum Essen bewegen und die wir nicht alle wirklich mit Nahrung stillen können. Aber womit können wir Augen- oder Herzhunger dann stillen? Und wie hilft uns die Achtsamkeit dabei? Bays nimmt sich Zeit, die Zusammenhänge zu erklären. Sie gibt einleuchtende Beispiele, die dazu motivieren, dem eigenen Hunger auf die Spur zu kommen, ungünstige Gewohnheiten zu erkennen und abzulegen. Ein sehr einfühlsames Buch, das aber keine einfachen Lösungen liefert.

„achtsam essen, achtsam leben“ von Thich Nhat Hanh und Lilian Cheung

Verschiedene Hungerarten sucht man in diesem Buch vergebens. Stattdessen verknüpft das Gemeinschaftswerk eines buddhistischen Meditationslehrers und einer Ernährungswissenschaftlerin das Wichtigste aus beiden „Disziplinen“. Es geht mehr um ein gesundes Gewicht und ums Abnehmen als im Buch von Bays. Dazu gibt es nicht nur Kapitel zum achtsamen Essen, sondern auch zum achtsamen Bewegen. Und es gibt eine konkrete Anleitung zu einem achtsamen Lebensplan.

Damit mein Buchhändler des Vertrauens in Bonn-Beuel die Krise finanziell übersteht, lasse ich mir solche und andere Bücher über deren Online-Shop liefern und nicht vom großen Riesen… Vielleicht gibt es diese Möglichkeit ja auch in eurer Stadt.

Und falls ihr ein inspirierendes kleines Büchlein für euch selbst oder zum Verschenken sucht, empfehle ich euch zum Schluss noch „Einfach essen“ von Thich Nhat Hanh. Das enthält 88 ganz kurze Texte mit Anleitungen zur Meditation, speziell aber nicht nur mit Blick auf unser Essen. Daraus ein Beispiel, das zeigt, wie viel hinter der Idee von achtsam essen steckt.

Achtsam essen

Um Achtsamkeit zu entwickeln, tun wir einfach die gleichen Dinge, die wir immer tun – wir gehen, sitzen, arbeiten, essen und so weiter -, doch mit achtsamem Gewahrsein für das, was wir tun. Wenn wir essen, wissen wir, dass wir essen. Öffnen wir eine Tür, wissen wir, dass wir eine Tür öffnen. Mit unserem Bewusstsein sind wir bei dem, was wir tun.

Sie brauchen nur ein klein wenig Achtsamkeit, wenn Sie ein Stück Obst in den Mund stecken, um zu wissen: „Ich stecke ein Stück Obst in den Mund.“ Ihr Geist sollte nicht woanders sein. Sind Sie beim Kauen mit Ihren Gedanken bei der Arbeit, so ist das kein achtsames Essen. Achtsamkeit bedeutet, dem Apfel Ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken. Das lässt Sie tiefer schauen, und Sie werden schon nach kurzer Zeit den Samen des Apfels, den schönen Obstgarten, den Himmel, den Bauern und die Obstpflücker sehen. In diesem Apfel steckt eine Menge Arbeit.

Für die Verlinkungen und Empfehlungen in diesem Artikel habe ich keinerlei Gegenleistungen erhalten. Ich bedanke mich aber beim Arbor-Verlag und O. W. Barth-Verlag für die Bereitstellung der kostenlosen Rezensionsexemplare.

4 Kommentare

  1. Jessica Meyer-Rachner sagt:

    Liebe Leser*innen,

    wir, Katja und Jessica von mindfulandmore, lassen uns wie Gabriela von Lehrerinnen wie Jan Chosen Bays, Thich Nhat Hanh und Rick Hanson inspirieren. Sie zeigen auf, welch wunderbares Übungsfeld das Essen für mehr Achtsamkeit und positive Neuroplastizität bietet. In diesem Zusammenhang möchten wir Interessierte herzlich zu unserem kostenlosen LIve Online Schnupperseminar „Achtsam Abnehmen beginnt im Kopf“ einladen.

    Für die Anmeldung und weitere Informationen besuche gerne unsere Webseite: mindfulandmore.org. Wir freuen uns auf euch!

  2. Irene Sunnus sagt:

    Ein super „Rundumblick“ – das Essen hatte ich bei all den Achtsamkeitsübungen bisher so gut wie nicht im Fokus. Aber auch für weniger leidenschaftliche Essenszubereiterinnen (z.B. ich ) kann Essen/Kochen/Einkaufen ein weiterer wertvoller Achtsamkeitsmoment sein.

  3. Patricia sagt:

    Toll, genau so ist es. Und erst, wenn wir uns dieses volle Bewusstsein beim Essen, spazieren gehen und sonstigen Aktivitäten zurück erobern, kommen wir auch wieder ganz bei uns selbst an… und spüren, dass wir mit der Natur, mit Tieren und mit allem um uns herum eins sind… und keineswegs allein (wie es sich manchmal anfühlt)

    1. Gabriela Freitag-Ziegler sagt:

      Danke, liebe Patricia. Was ich spannend finde, dass sich darüber auch ein Bogen zur Wertschätzung von Lebensmitteln schlagen lässt. Thich Nhat Hanh schreibt zum Beispiel „Der Apfel, den Sie in der Hand halten, ist eine Manifestation der wundervollen Präsenz des Lebens. Er ist verbunden mit allem, was ist.“ Also auch mit mir, richtig?

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